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Welche Rolle spielt das Unglück für das Glück? Ein Essay von Isabel Weber, Ethik 11


Wilhelm Schmid spricht in seinen Texten von drei Arten des Glücks: dem Zufallsglück, dem Wohlfühlglück und dem Glück der Fülle.

Das Zufallsglück begleitet einen durch das ganze Leben (vgl. Schmid). Durch Offenheit und Spontaneität werden der günstige Zufall und eine erwünschte Fügung erlangt. Man kann den günstigen Zufall erkennen und schließlich sogar ergreifen, um zu seinem eigenen Glück beizutragen (vgl. Schmid).

Das Wohlfühlglück beinhaltet das, was wir zum glücklich werden brauchen. Es zählt alles, was uns gut tut und uns somit wohl fühlen lässt. Dazu gehören unter anderem Spaß, Lüste, Gesundheit, Erfahrungen und Erfolg (vgl. Schmid). Für das Wohlfühlglück benötigt jedes Individuum individuelle Zutaten, die man im Laufe des Lebens kennenlernt und schließlich sogar bereitstellen kann. Es kann also „künstlich“/bewusst herbeigeführt werden. Jedoch hält es daher auch meist nicht sehr lange an, es ist nicht so wertvoll wie beispielsweise das Glück der Fülle (vgl. Schmid).

Das Glück der Fülle hält- sobald man es erreicht hat- dauerhaft an (vgl. Schmid Z.50). Wichtig hierfür ist der Begriff der Polarität: Es gibt sowohl Positives (Angenehmes) als auch Negatives (Unangenehmes). Das Glück der Fülle kann durch die Akzeptanz der Polarität und der anschließenden Balancefindung zwischen Positiv und Negativ erreicht werden. Sobald diese Balance erreicht ist, spricht man auch vom sogenannten philosophischen Glück (vgl. Schmid).

Auffällig ist, dass nur das Zufallsglück als auch das Glück der Fülle negative Aspekte beinhalten, d.h. dass sowohl das Negative als auch das Positive zum Glück der zwei verschiedenen Arten beiträgt. Beim Zufallsglück möchte man aus dem negativsten Zufall noch das Positivste rausholen: Man soll also das Beste aus jeder Situation machen. Das Glück wird also eher geschätzt, da man dem Unangenehmen gerade so entronnen ist.

Das Glück der Fülle dagegen vertieft die Sache mit dem Unglück nochmals. Man soll sowohl Glück als auch Unglück im Leben akzeptieren und damit umzugehen lernen. Da hier wirklich das Unglück vom Menschen angenommen werden kann und damit im Einklang gelebt werden soll, erhält diese Form des Glücks einen unglaublichen Wert. Dieser Wert spiegelt sich besonders in der Dauer dieses Glücks wieder und wird dadurch verstärkt, dass nur wenige Menschen dieses Glück der Fülle wirklich erreichen können. Denn wer akzeptiert schon gerne Unglück bzw. wünscht es sich sogar herbei?


In dem Text „Lernt, unglücklich zu sein“ von Schmid steht besonders das Unglück im Vordergrund. Er behandelt außerdem die Frage was wäre, wenn es nur noch das Glück gibt?

Denn die besten Erfindungen und Ideen- so Schmid- kommen von denjenigen, die unglücklich sind. Er setzt Glück mit Zufriedenheit und Unglück mit Unzufriedenheit gleich. Denn „die Stärke der Unglücklichen ist ihre Sensibilität, ihr Gespür für den Sinn und für dessen Fehler“ (Schmid). Diese Unzufriedenen bemerken schneller die Entwicklungen, die eben in die falsche und entgegen gerichtete Richtung laufen, als man es eigentlich gewollt hatte (vgl. Schmid).

Doch woran liegt das? Ist das Unglück also vielleicht doch nicht so schrecklich wie bisher befürchtet? Hat es vielleicht auch positive Seiten? Was hat also das Unglücklich sein mit dem Glücklich sein zu tun? Ist das Ganze auch andersrum möglich? Und welche Rolle spielt also das Unglück für das Glück?


Mit diesen Fragen werde ich mich im folgenden Text beschäftigen und versuchen diesen auf den Grund zu gehen.

Eigentlich scheint die Beantwortung der Frage erstmals sehr einfach. Jeder, der die Texte von Schmid nie gelesen oder aber nie wirklich über das Thema nachgedacht hat, wird sagen Unglück ist das Schrecklichste auf der Welt, was es überhaupt gibt. Aber allein die Frage: Welche Rolle spielt das Unglück für das Glück, lässt vermuten, dass es sehr wohl eine wichtige Rolle spielt. Und wenn man mal ehrlich ist, weiß man auch, dass das Unglück das Fundament des Glücks und somit auch eines glücklichen Lebens ist.

Ohne Unglück wüssten wir nämlich gar nicht, was Glück wirklich ist. Aber auch ohne Glück wüssten wir nicht was Unglück ist.

Um alles zu vereinfachen und verständlicher zu gestalten, setze ich wie auch Schmid das Glück mit Zufriedenheit und das Unglück mit Unzufriedenheit gleich.

Sobald ein Mensch merkt, dass er unzufrieden ist, möchte er natürlich direkt etwas an seiner Situation ändern, das liegt einfach in unserer Natur. Wir möchten und wollen täglich glücklich sein, um ein möglichst erfülltes und tolles Leben zu führen.

Die zunehmende Unzufriedenheit -ausgelöst durch die verschiedensten Ereignisse- führt dazu, dass die tollsten und kreativsten Ideen entstehen. Denn nur diese helfen demjenigen aus der unangenehmen Situation hinaus.

Die Kreativität, die während des Unglücks entspringt, ist besonders wertvoll, weil viel damit erreicht werden kann. Hierzu gibt es ein ganz simples Beispiel: Sänger, die gerade eine schwere Zeit durchmachen und dann versuchen ein Lied mit all diesen Gefühlen zu schreiben, diese Lieder werden die erfolgreichsten, weil sie besonders damit viele Menschen berühren können. Sie erreichen Menschen, die vielleicht genau das Gleiche durchmachen wie der Sänger und sich somit weniger alleine mit diesen Problemen fühlen.


Ein vielleicht noch besseres Beispiel ist die aktuellste Situation: Das Corona-Virus. Wohl eins der unglücklichsten Ereignisse 2020 in Deutschland und überall auf der Welt. Den Menschen geht es schlecht, es gibt Ausgangsbeschränkungen und jeglicher sozialer Kontakt ist untersagt. Viele Menschen verlieren ihre Arbeitsplätze oder müssen Kurzarbeit machen, sie verdienen also nur noch 60% ihres Netto-Einkommens. Dies führt bei vielen zu einer finanziellen Notlage und einer Existenzunsicherheit. Jedoch darf man ganz besonders in diesen schweren Zeiten das Glück und die Freude nicht aus den Augen verlieren. Trotz der Corona-Lage gibt es auch Lichtblicke. Man kann aus dieser Lage auf jeden Fall etwas Positives ziehen: die nun endlich mal voranschreitende Digitalisierung der Schulen, die Wiederentstehung einer Gemeinschaft in Deutschland und der Solidarität. Die Menschen fangen an wieder kreativ zu sein und sogar dann, wenn sie sich eigentlich wirklich mal mit sich selbst beschäftigen könnten, an andere Menschen denken, die ganz besonders in dieser schweren Zeit Hilfe benötigen. Dazu gehören vor allem ältere Menschen und Risikogruppen. Nachbarn fangen an für diese Menschen einkaufen zu gehen, es werden Stoffmasken genäht um dem Mangel an Schutzmasken gegen das Virus entgegenzuwirken, ebenso werden endlich mal die Intensivstationen aufgerüstet, indem die Intensivbetten und Beatmungsgeräte aufgestockt werden. All das wäre wohl ohne das Corona-Virus niemals so schnell und überhaupt so ins Rollen gekommen, wie es jetzt der Fall ist. Die Ignoranz der Einzelgänger, die sich im Laufe der letzten Jahre entwickelt hat, wird zu einem gemeinsamen Streben. Jeder –bis auf einige Ausnahmen- verfolgt das Ziel, das Virus so schnell wie möglich zu bekämpfen um wieder ein normales Leben führen zu können. Denn nur als Gemeinschaft lässt sich das Virus wirklich bekämpfen.

Eine weitere positive Sache, die sich aus der jetzigen Situation ziehen lässt, ist, dass wir bei der nächsten Pandemie weitaus besser ausgerüstet und vorbereitet sind. Wir werden also schneller zu unserem Alltagsglück zurückfinden als dieses Mal.

Dieses Unglück bewirkt also lauter Positives in Deutschland.


Wir brauchen also das Unglück für das Glück. Gleichzeitig lernen wir aber auch in Zeiten des Unglücks, das Glück wirklich zu schätzen, wie gut es uns doch eigentlich vor dieser Pandemie ging. Die sozialen Kontakte, das Arbeiten aber auch die Schule, all das wird auf die Dauer der Beschränkungen vermisst und danach mehr wertgeschätzt, vielleicht sogar als eine Art Luxus angesehen.

Glück und Unglück agieren also ständig miteinander und hängen enger zusammen als vorher angenommen. Aus dem Unglück kann das Glück erst geschöpft werden und erhält durch die Kenntnisnahme des Unglücks einen unglaublichen Stellenwert. Man soll und muss also sogar aus allem Negativen etwas Positives ziehen und das Unglück erlernen, um Glück zu empfinden. Denn durch das Unglück, entsteht ein viel wertvolleres Glück als ohne dieses.

Die Menschen müssen also lernen es zu akzeptieren und zu respektieren. Das Unglück ist ebenso ein Teil unseres Lebens, wie auch das Glück.

Leider ist es in der Gesellschaft so weit gekommen, dass fast keiner mit dem zufrieden ist, was er hat. Wir führen uns eigentlich das Unglück mit dieser Einstellung schon selbst herbei, indem wir einfach mit allem unzufrieden sind. Wir wollen immer und immer mehr, wollen so sein wie die Anderen. Aber führt das wirklich zu unserem eigenen Glück? Die Leute nachzuahmen, die es anscheinend haben? Nein, das ist definitiv die falsche Methode. Man sollte versuchen sich auf sich selbst zu konzentrieren und die Wege und Ziele zu verfolgen, die einem selbst wichtig sind. Und ja, wir begehen alle Fehler, die uns für kurze Zeit unglücklich machen. Aber genau dadurch finden wir ja das Glück und lernen aus unseren Fehler. Dadurch fangen wir an zu begreifen, was Glück für uns wirklich ist.


Nur durch diese Schritte ist es möglich ein erfülltes und wirklich tiefgründig glückliches Leben zu führen. Zufallsglück, Wohlfühlglück und auch  Glück der Fülle hängen eng miteinander zusammen und spielen füreinander eine wichtige Rolle.

Unglück und Glück gehen Hand in Hand. Man sagt ja auch, dass sich Gegensätze anziehen, gegenseitig ergänzen und somit zu einer stimmigen Einheit werden.

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